Es gilt ein frei Bekenntnis

Breklum – Breklum ist ein kleines Dorf in Nordfriesland, nur wenige Kilometer von Husum und Bredstedt entfernt. Schon beim ersten Schlendern fällt auf, dass es ein besonderer Ort ist. Bibelsprüche zieren die Häuserfronten, klare Bekenntnisse zu Mission und Evangelium, die Breklum manch sanften Spott in der Titulierung als „dat hillige Dörp“ oder auch „Breklehem“ einbrachten.
Mit welchem Ernst diese Andersartigkeit aber imstande war, Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten, das macht die Neuauflage der „Breklumer Hefte“ deutlich, die heute der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Ihr werdet meine Zeugen sein“, heißt das Buch, Herausgeber sind Altbischof Karl Ludwig Kohlwaage, Propst i. R. Manfred Kamper und Pastor i. R. Jens-Hinrich Pörksen. Peter Godzik hatte maßgeblichen Anteil an der Realisierung des Vorhabens.

Breklum – ein Glücksfall der Bekennende Kirche
In dem Buch sind 20 Schriften aus der Zeit von 1935 bis 1941 gesammelt. In sehr hoher Auflage waren sie von der Breklumer Mission gedruckt und reichsweit verschickt worden, und sie belegen, dass die Bekennende Kirche (BK) in Schleswig-Holstein keineswegs unbedeutend war, sondern in Breklum Partner mit klarer Bekenntnis-Orientierung fand, die sich nicht so leicht vom völkischen und rassistischen Ideen infizieren ließen.
Interessant sind die Hefte besonders durch die Art ihrer Argumentation: So nimmt zum Beispiel Pastor Hans-Albert Adolphsen Hitlers Blut-und-Boden-Ideologie theologisch auseinander, ebenso wird Gustav Frenssens Buch „Der Glaube der Nordmark“ in einer Sonderausgabe regelrecht zerpflückt. Mit Bibel und Bekenntnis lässt sich nationalsozialistisches Gedankengut nicht vereinbaren, das machen die Autoren – zumeist junge Theologen aus dem Norden – deutlich.

Breklumer Hefte auf dem Hintergrund des Kirchenkampfes
Die Breklumer Hefte sind damit Teil des sogenannten Kirchenkampfes: Ganze Landeskirchen hatten sich den Deutschen Christen (DC) angeschlossen und deuteten die Bibel nunmehr auf der Basis von Hitlers totalitären Ansprüchen. So wurde zum Beispiel der Arier-Paragraph, nach dem Menschen mit jüdischen Wurzeln keine öffentlichen Ämter einnehmen dürfen, ohne Not auf die Kirche übertragen. Damit werde die Taufe ausgehebelt, ist einer der zentralen Kritikpunkte des Pfarrernotbundes, aus dem sich bald die Bekennende Kirche entwickelte. Ansätze, das Alte Testament als „jüdisches Gift“ aus dem Kanon zu entfernen, galten der BK und den Breklumern als inakzeptabel.
In der Praxis war es so, dass die Gestapo die Breklumer Mission sehr wohl im Visier hatte, ihrer aber nicht recht habhaft werden konnte – auch aufgrund der klaren Positionierung der Bevölkerung. Es wurden immer mal wieder Beschlagnahmungen vorgenommen und Verbote ausgesprochen – das konnte aber die Verbreitung der Hefte nicht verhindern.

Die wissenschaftliche Aufarbeitung steht noch aus
Bei der Neuauflage gehe es aber nicht um nachträgliche Heroisierung, machte Manfred Kamper deutlich. Vielmehr habe man diese Zeitzeugnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wollen, damit sie nicht in Vergessenheit gerieten. Die Wissenschaftliche Aufarbeitung stehe noch aus. Ebenso wenig wolle man sich an nachträglichen Verurteilungen beteiligen: Wilhelm Halfmann, führender Kopf der BK in Schleswig-Holstein, war mit seiner Schrift „Die Kirche und der Jude“ in Verruf geraten – eine „ganz klar antisemitische Schrift“, wie Karl-Ludwig Kohlwaage bei der Eröffnung deutlich machte, „die er besser nicht geschrieben hätte.“

Stephan Richter fordert differenzierte Debatten auch für die Neuzeit
Zeitgleich mit dem Sammelband erscheint die Dokumentation „Was er euch sagt, das tut!“, die sich mit dem Wiederaufbau der schleswig-holsteinischen Landeskirche nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Für die Vorstellung der beiden Bücher hatten die Initiatoren Stephan Richter, den ehemaligen Chefredakteur des shz gewinnen können. Dieser hob die mediale Bedeutung sowohl der Breklumer Hefter als auch nun noch einmal des Sammelbandes hervor. Dabei betonte er die Bedeutung des Print als ein nachdenklicheres und nachhaltigeres Medium. „Die Medien müssen heute sehr schnell und sehr verkürzt agieren“, sagte er. Allzu leicht komme es dabei zu Skandalisierungen, Personalisierungen und Radikalisierungen von Debatten, die eigentlich differenzierter geführt werden müssten.

Von der Kraft der Frömmigkeit
„Geschichte um ihrer selbst willen zu betreiben, ist eine sinnlose Beschäftigung“, sagte Manfred Kamper vorab. Die Gegenwartsrelevanz der Breklumer Hefte liegt vor allem in der Entdeckung, dass Gemeindebewegungen von unten besonders in Krisenzeiten große Bedeutung haben können. „Die Breklumer Frömmigkeit ist ja so gar nicht meine“, bekannte er im Gespräch. „Aber es ist gerade diese Frömmigkeit gewesen, die die Breklumer Mission vor der nationalsozialistischen Infizierung bewahrt hat.“