Mitten im Leben……

Husum – „Einer von euch wird mich verraten“ – dieser Satz Jesu steht im Mittelpunkt der Abendmahlsszene, die Leonardo da Vinci zu seinem berühmten Gemälde verarbeitet. In den Gesichtern der zwölf Jünger spiegelt sich Ratlosigkeit, Zorn und Entsetzen. „Bin ich’s?“, fragen sie nacheinander, und sie gestikulieren abwehrend, aufgeregt, diskutierend – jede Hand anders und ein Kunstwerk für sich. Aus Anlass des Gründonnerstags organsierte die Kirchengemeinde Husum eine Art Flashmob und ließ aus lebenden Menschen genau dieses Bild vor den Augen der Öffentlichkeit entstehen.

„Einer von euch…..“
Aufmerksamkeit erregte schon der Aufzug der Gruppe, die sich auf Anregung von Pastor Friedemann Magaard eigens für diese Aktion gebildet hatte: Die „Jünger“ und „Jesus“ hatten jeweils einen weißen Klappstuhl unter dem Arm, weitere Helfer zogen in einem Bollerwagen Geschirr und Tischdeko für das Abenmahl. Ruhig und konzentriert bauten sie eine lange Tafel auf, legten ein großes Tischtuch und deckten an. Dann standen sie schweigend mit dem Rücken zu Szenerie, bis Gemeindeglied Olaf Jessen – durch ein blaues Tuch über der Schulter als Jesus gekennzeichnet – zum Mahl lud. „Einer von euch……“ war der Impuls, der die Szene verharren ließ und aus der Inszenierung ein lebendiges Gemälde machte. Ein immer lauter werdendes Summen verdeutlichte die bedrohliche Lage: Nach diesem Abendmahl ging Jesus in den Garten Gethsemane und damit der Verhaftung und dem Kreuzestod entgegen.

Heiliges Abendmahl an unheiligem Ort
Die Laien-Schauspieler hatten sich unter Leitung von Thomas Hirsch-Hüffell, ehemals Leiter des Gottesdienst-Instituts, intensiv vorbereitet und mit der Vorlage von Leonardo da Vinci auseinandergesetzt. Sie waren konzentriert und ernsthaft beim Thema und hofften, mit ihrer Inszenierung Menschen an öffentlichen Orten zu erreichen und zum Nachdenken und Nachfragen zu bewegen. Das gelang unterschiedlich gut: Auf dem Wochenmarkt unterband das Ordnungsamt die Aktion. Im Schlossgang waren nur wenige Passanten unterwegs. Auf der Neustadt und am Hafen blieben dann schon eher Interessierte stehen, manche waren irritiert, andere begeistert. Irritierend wirkte allein die dichte Atmosphäre an so weltlichem Ort: Das Abendmahl ist das Allerheiligste des christlichen Glaubens, und die Darstellung von da Vinci gehört zu den bekanntesten überhaupt. „Das ist doch mal eine tolle Aktion“, sagte eine ältere Dame. Eine andere dagegen trat noch ein wenig schneller in die Pedale, als sie verstand, dass hier Kirche am Werk war. „Oh, ein Mob-Flash!“, sagte einer und freute sich, als er in der lebendigen Nachbildung das mittelalterliche Original wiedererkannte. Auf den Stufen der Marienkirche fand die Aktion ihren Abschluss.

Mitten im Leben
Die Idee Friedemann Magaards ging auf: Mitten im Alltag, mitten im Leben Husum wurde eine heilige Geschichte erzählt, eben die des letzten Abendmahls Jesu mit seinen Jüngern. Für die Realisierung hatte er ganz unterschiedliche Menschen gewinnen können, sie alle waren mit hoher Intensität dabei und identifizierten sich mit ihren Figuren und ihrem Auftrag. Gerne soll es im nächsten Jahr eine Wiederholung geben, so Magaard, dann aber vielleicht mit öffentlicher Bekanntmachung im Vorwege.

Heiliiges an unheiligem Ort